Näh-Nerdigkeiten

Kürzlich schrieb ich in einem kleinen Thread auf meinem Mastodon-Account über das Thema „Kleidung selbernähen“:

Warum überhaupt Dinge wie Socken, Unterwäsche, Shirts & Co. selbernähen? Wäre kaufen nicht billiger? Vielleicht … aber:

Auch für dieses Thema waren mir 500 Zeichen nicht genug. Und es geht hier eigentlich nicht nur um’s Nähen, sondern auch um’s Stricken (immerhin bin ich ja Mitbegründerin vom Hashtag „SockenSonntag“ beim Mammut) und allgemein um das Thema „Dinge selbermachen“.

Vielleicht kurz zur Einordnung: Ich nähe jetzt seit ungefähr 15 Jahren, richtig tragbare Alltagskleidung seit sieben oder acht Jahren. Angefangen habe ich mit Tanzkostümen, ein Einstieg, den ich niemandem empfehlen würde!
Ich habe jetzt außerdem das unverschämte Glück, ein Nähzimmer zu haben – ein ganzes, wenn auch kleines Zimmer nur für den Nähkram. Wo sonst könnte ich sieben – in Worten: SIEBEN – Nähmaschinen unterbringen? Ja, ich habe da vielleicht ein bisschen zuviel Liebe für alte Nähmaschinen. Aber jede hat ihre Geschichte und dann gibt es da noch das Argument „Sowas wird ja heutzutage gar nicht mehr gebaut!!“. Wirklich regelmäßig im Einsatz habe ich nur drei davon. Meine gute alte Pfaff durfte letztes Jahr gehen, die hatte nach 15 Jahren definitiv das Außer-Dienst-Nehmen verdient. Ihre Nachfolgerin ist ein Schweizer Modell ohne großen Schnickschnack, genau richtig für meinen etwas größeren Hausgebrauch.
Meine Näh-Skills habe ich mir selbst beigebracht, inzwischen gibt die Youtube-Universität ja sehr viel zu diesem Thema her.

Tatsächlich bin ich mittlerweile dazu übergegangen, Socken, Unterwäsche und T-Shirts selber zu nähen. Dazu schrieb ich auf Mastodon:

Um an einen 5er-Pack Schlüppis oder Socken zu kommen, muss ich entweder 45 Minuten mit der Straßenbahn in die Stadt und wieder zurück oder ins Auto steigen und 20 Minuten ins Einkaufszentrum fahren und wieder zurück, oder in einen unterirdischen Billig-Discounter gehen.
Vernünftige Qualität bekomme ich eh nirgends. Für mich ist Selbernähen die bessere Alternative. Dasselbe bei T-Shirts. Zumindest einfache Shirts bekomme ich mittlerweile in besserer Qualität hin, als ich sie kaufen könnte.

Um ein Vorurteil aufzuräumen: Selbernähen ist ganz sicher NICHT billiger als kaufen. Stoffe – vor allem solche in einigermaßen guter Qualität – kosten viel Geld. Für einen Meter Jersey – ein bisschen mehr, als ich für ein Shirt brauche – zahle ich bei meinem Lieblingshändler etwa fünf bis sieben Euro. Und dann ist das Shirt noch nicht fertig. Genau genommen kommen anteilig noch Kleinteile wie Nähgarn, Nähmaschinennadeln, eventuell Wäschegummi, das Schnittmuster etc. dazu, ebenfalls mit Kosten verbunden. Das Shirt ist immer noch nicht fertig. Zuschneiden, Halsausschnitt annähen, korrekt zusammennähen, Säume an den Ärmeln und am unteren Ende – alles in allem und mit nicht allzuviel Kaffeepausen dabei gute eineinhalb bis zwei Stunden Arbeit. Mit mehr Übung geht es natürlich auch immer schneller/besser, aber beschleunigen lässt sich da nichts.

Fünf Euro zahle ich aber auch im Laden für ein T-Shirt. Da muss ich hinfahren (was mit den Öffentlichen auch nochmal insgesamt über sechs Euro Fahrtkosten sind), was Passendes finden, und wieder zurück. Dazwischen habe ich mich über den Laden geärgert, meine Nerven an der Kasse strapaziert und allerlei Ungemach mehr ertragen. Und wie gesagt: Die Qualität bei Massenware ist sowieso unterirdisch.

Natürlich ist ein einzeln im Hausgebrauch genähtes Shirt nicht mit millionenfach hergestellter Massenware vergleichbar, das ist mir schon klar.

In der kleinen Unterhaltung auf Mastodon kam auch die Frage auf: „Du nähst nur, was Du brauchst, oder?“ Ja, da schlägt mein Minimalismus-Gen zu. Ich ersetze ein Kleidungsstück dann, wenn es zu kaputt zum Tragen oder Reparieren ist. Dinge kaufen um des Kaufens und Habens Willen gibt es bei mir nicht (oder nur sehr selten).

Wenn ich so überlege, was ich eigentlich im letzten Jahr an Kleidung GEKAUFT habe – dann waren das genau drei Jeans. Und auch die nur, weil zwei meiner alten Jeans endgültig hinüber waren.

Und ein Punkt ist nicht zu unterschätzen: Das Nähen bzw. Selbermachen macht mir einfach SPASS! Die Freude über ein selbst hergestelltes Teil, das passt und gut aussieht, ist schon immens. (Ikea-Effekt, ick hör dir trapsen!)
Selbst das laute Fluchen und Schimpfen, Auftrennen und Neu-Machen, wenn mal was nicht funktioniert, gehört einfach dazu.

(Wenn Sie mich beim „Kleidchen“ hätten fluchen und schimpfen hören … Sie hätten heute noch knallrote Ohren davon! Das „Kleidchen“ – zur Info – ist aus einem sehr schönen, aber sehr widerspenstigen und flutschigen Stoff entstanden. Alleine die Ärmel habe ich wohl viermal wieder rausgetrennt und neu eigesetzt.
Und die Anführungszeichen bekommt es deshalb, weil es nicht unbedingt für die Öffentlichkeit gedacht ist, Sie wissen schon … )

Noch ein Faktor: Die Wertschätzung für die Arbeit anderer Menschen. Wenn man weiß, wieviel Arbeit und Können nur beispielsweise in einem simplen T-Shirt stecken, steigert das die Achtung für anderer Hände Arbeit enorm!

Für mich also alles gute Gründe, Kleidung selber zu nähen. Soll heißen: Für MICH ist es die bessere Alternative. Bei anderen Leuten sieht das anders aus. Nicht jeder hat die Zeit und die Möglichkeiten dafür.

Wenn Sie also jemanden suchen, der die Konsumwirtschaft am Laufen hält: Ich bin es nicht. Ich bin der Alptraum des Politikers, der sinngemäß zu Beginn von Corona gesagt hat: „Wenn jetzt jeder nur noch nach Bedarf einkauft, ist das eine Katastrophe!“
Und ich bin es gerne!

In diesem Sinne
Keep on sewing!
Ihre Frau Dancer

Okay, das sind jetzt gestrickte Socken, von den genähten ist gerade kein schickes Foto greifbar.

Nähnerds werden dieses Foto verstehen. Das Stöffchen für’s „Kleidchen“.

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